Links: Bambus 1-14, 2007, Aquarell auf Papier, je 20,5 x 15 cm
Rechts: Bambus 17, 2008, Aquarell auf Papier, 60 x 100 cm
Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger vom 17.09.2008:
Das Lächeln der Farben auf Papier
Von Jürgen Kisters
Andreas Hentrich zeigt in der „Tenri Japanisch-Deutschen Kulturwerkstatt“ seine Japanbilder. In seinen Werken kehrt ein Motiv immer wieder: Der Bambus. Dabei sind seine Werke von einer erstaunlichen Klarheit.
Wenn ein Künstler immer wieder das gleiche Motiv malt, könnte man das langweilig nennen. Besser man sagt: Da ist jemand, der schaut ganz genau hin. Deswegen, weil er an einem Gegenstand jede Einzelheit erkennen will. Und weil er weiß, zu welcher Besänftigung die Wiederholung in der Anschauung eines immer wieder gleichen Motivs führen kann. Für den Kölner Künstler Andreas Hentrich (Jahrgang 1963) ist dieses Motiv der Bambus, ausgestellt in der „Tenri Japanisch-Deutschen Kulturwerkstatt“. Er hat es mit einer Genauigkeit auf klares weißes Papier gemalt, als sei es fotografiert. Doch wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass ein mit feinen Aquarellfarben gemaltes Bild etwas ganz anderes ist als ein fotografiertes. Im Gegensatz zu einem Foto lebt es. Weil der Atem und das Lächeln der auf das Papier gehauchten Farben dem Charakter der Dinge bei weitem näher kommt als die technisch-chemische Nüchternheit eines Fotos.
Am Beispiel des Bambus zeigt Hentrichs malerische Meisterschaft das, worum es in der Kunst überhaupt geht. Um Ruhe und Geduld. Um das Gespür für feinste Details. Um den Wechsel im Farbschimmer von Grün zu Gelb. Und um die präzise Linie eines lang gestreckten Rohrs, die plötzlich in einem Knick endet.
Hentrich zeigt auch die Bedeutung der Abweichung und kleiner „Fehler“. Seine kleinen und großen Bambusbilder lehren uns die Achtung vor der Natur ebenso wie den Respekt vor der malerischen Sorgfalt. Man glaubt, den Wind zu hören, der sanft durch den Bambus streift und die feinen Blätter flattern und flüstern lässt. Unzählige Dichter haben den Bambus in Haiku-Gedichten beschrieben, unzählige Maler das Motiv mit schwarzer Tusche aufs Papier gebracht. Auch im japanischen Spielfilm ist der Bambus ein wiederkehrendes Motiv. Der Bambus ist ein Alltagsmaterial in der japanischen Kultur, aus dem Matten, Tragegestelle, Zäune und Gefäße gemacht werden. Und er ist ein symbolischer Gegenstand, in dem die geheimnisvolle Einfachheit des Lebens ihren Ausdruck findet.
Mit der gleichen Detailgenauigkeit hat Hentrich noch zahlreiche andere japanische Gegenstände und Alltagsszenen gemalt: Dekorationskugeln, Fadenverwirrungen, Straßenszenen aus Kobe. Doch wer den Bambus gesehen hat, wird diese Bilder als zusätzliches Angebot erst einmal nur registrieren. Wenn er sie betrachten will, wird er wiederkommen müssen.